Dienstag, 27. März 2012

Zwischenbericht

Es ist soweit...der zweite Zwischenbericht steht an. Ungefähr alle 3 Monate müssen wir für unsere Organisation einen Zwischenbericht schreiben, in dem wir beschreiben sollen, wie es uns geht, was wir machen und ob wir gut zurecht kommen. :) Jetzt stand also der nächste an....ich schreibe ihn euch hierrein, damit ihr einen Überblick über meine derzeitige Situation und (Gefühls)Lage bekommt. :)



“There’s no hurry in Africa!“

Es ist Ende Februar. Unser Besuch aus Deutschland sitzt im Wohnzimmer, steht auf, läuft herum, setzt sich wieder hin. Steht wieder auf, läuft in ihr Zimmer, kommt zurück, geht wieder….dreimal hintereinander das gleiche. Sie sitzt am Essenstisch, wir unterhalten uns und sie reißt an einem Papierstückchen herum. Irgendwann kann ich nicht mehr und weise sie (leider etwas zu laut) zurecht: „Kannst du mal bitte aufhören, das macht mich unglaublich nervös!!“. Sie guckt mich mit großen Augen an und sagt nur leise „Entschuldige!“. 

Als ich diese Prozedur die ersten zwei Tage mitbekommen habe, habe ich gedacht „Oh Gott, wenn in Deutschland alle so herumlaufen und hibbelig sind, bekomme ich, glaube ich, die Krise!!“. Außerdem musste immer alles geplant werden und schon zwei Tage im Voraus geguckt werden, wie wir zu unserem Ziel kommen, was wir wann dort machen und wie wir wieder zurück kommen und am besten würden wir doch abgeholt. AHHHHH! Langsam! Wir fahren einfach los, gucken dann vor Ort, wie wir unsere Dinge erledigt bekommen, die wir machen wollen und wenn wir nicht abgeholt werden können, dann ist es halt so. Ist ja nicht so, als ob es keine „öffentlichen“ Verkehrsmittel geben würde in Kenia.

Ich glaube, das ist eine persönliche Veränderung, die mich im Moment am meisten ausmacht, integriert hat und ein ganz kleines bisschen zur Kenianerin gemacht hat: das stressfreie Leben! Alles läuft immer und überall wo man hingeht auf „Pole! Pole!“ („Langsam! Langsam!“). Und ich muss sagen, auch wenn ich damit am Anfang ein paar Schwierigkeiten hatte, immer alles mit deutscher Korrektheit und Pünktlichkeit verglichen habe, habe ich diese Einstellung doch, glaube ich, ganz gut übernommen und sie gefällt mir (meistens)! Wenn das Matatu (Kleinbus), in dem man sitzt, noch nicht ganz voll ist und man eine Stunde (oder auch zwei) warten muss…na dann ist das halt so! Wenn der Kassierer das Produkt nicht einscannen kann und jemanden schickt, der erst einmal den ganzen Supermarkt durchsuchen muss, um das Produkt und die zugehörige Scannummer zu suchen  und sich hinter einem eine Schlange von zehn Personen bildet, die 20 Minuten warten muss….na dann ist das halt so! Wenn man mit jemandem abgesprochen hat um 15 Uhr loszufahren, derjenige aber erst um 16.30 Uhr auftaucht, ohne sich gemeldet zu haben…na dann ist das halt so!

Bevor ich hierher kam, hätte ich dem Busfahrer wahrscheinlich weiß Gott was erzählt, wenn er nicht „pünktlich“ losgefahren wäre (mal abgesehen davon, dass es hier keine festen Fahrpläne gibt…), im Supermarkt hätten sich die Leute fürchterlich beschwert (ich eingeschlossen) und demjenigen, der mir gesagt hatte, wir würden um 15 Uhr losfahren, wäre ich höchstwahrscheinlich böse gewesen, wäre er eineinhalb Stunden später aufgetaucht, ohne auch nur eine SMS zu schreiben oder anzurufen. Hier? Hier ist das alles völlig normal. Wir hatten einmal einen etwas älteren europäischen Herrn zu Besuch, der sich anscheinend mit dieser afrikanischen Mentalität auch schon auskannte, der uns einen sehr guten Spruch  mit gab: „We have the clock, they have the time!“ JA! Allerdings! :)

Auch wenn ich manche Mentalitäten gut angenommen, übernommen oder auch akzeptiert habe, ich mich sehr wohl fühle und Kenia und Lwak ein zweites zu Hause für mich geworden sind, werde ich aber wahrscheinlich dennoch immer die Rolle des „Ausländers“ behalten…Das liegt schon allein an der Hautfarbe. Taucht irgendwo eine weiße Person auf, machen die meisten große Augen, behandeln ihn wie einen König und manche, wenn sie mutig sind, fragen sogar nach finanzieller Unterstützung oder auch ob man nicht einen Laptop für sie „übrig“ hätte. Darüber haben wir auf dem Zwischenseminar viel diskutiert und gesprochen und haben diesem Thema die Überschrift „Weiße im schwarzen Kontinent“ gegeben. Es ist schon oft vorgekommen, dass sich die Afrikaner sogar schlechter machen und niedriger Stellen, auf Grund der Hautfarbe. In so eine Situation bin ich jetzt schon des Öfteren gekommen. Da heißt es dann „Warum grüßt du mich nicht? Es ist weil ich schwarz bin!“, „Ihr Leute denkt ihr seid super, weil ihr weiß seid!“ oder auch „Ich bin schwarz. Also bin ich arm! Gib mir Geld!“. Oft werde ich dann richtig wütend in mir drin, gehe dann aber einfach weiter, um keinen Streit anzufangen oder ähnliches. Ich kann das überhaupt nicht verstehen und frage mich dann, was diese Leute wohl erlebt haben, um so etwas zu sagen. Natürlich sind es fast ausschließlich Leute von der Straße, die so reden, aber manchmal würde ich ihnen einfach gerne mal so richtig meine Meinung sagen. Das Problem wäre dann wahrscheinlich, dass sie mich entweder nicht verstehen, weil ihr Englisch nicht gut genug ist oder ich dann einen aggressiven Eindruck vermitteln würde und daraus könnte sich schlimmeres entwickeln und das Risiko möchte ich nicht gerne eingehen. Dabei sind wir doch schon lange davon weg, jemandem auf Grund der Hautfarbe zu beurteilen! Jedenfalls denke und hoffe ich das! Wer also behauptet, dass die Weißen rassistisch seien? Sie begeben sich selbst in die „Opferrolle“ des Schwarzen und stellen sich unter uns. Außerdem erfahren wir hier eine ganz andere Art des „Rassismus“. Häufig ist es so, dass es bei den Leuten heißt: „Die ist Weiß. Also hat die Geld!“. Wie oft bin ich schon gefragt worden, ob ich nicht jemanden nach Deutschland holen könnte, oder einen Flug nach Deutschland bezahlen könnte? Wenn ich dann erzähle, dass ich noch nicht einmal Geld für meinen eigenen hatte, sondern meine Organisation diesen bezahlt hat, können sie das nicht verstehen und wollen es zum Teil gar nicht glauben. Des Weiteren gibt es hier ein spezielles Wort für weiße Menschen: „Mzungu“. Das ist Kisuaheli und überall wo man hinkommt, wird man so gerufen. Am Anfang war es ja noch ganz nett, wenn überall am Straßenrand die Kinder riefen: „Mzungu, how are you?!“. Und auch jetzt noch ist es in Ordnung, wenn die Kinder das rufen.  Aber wenn wir nun in der Stadt unterwegs sind und uns erwachsene Menschen „Mzungu“ rufen….dann ist das langsam nicht mehr so angenehm und man fühlt sich ein wenig „Abgestempelt“ und mit allen Weißen gleichgestellt. Oft reagieren wir darauf auch gar nicht mehr. Unvorstellbar, was passieren würde, würde in Deutschland auf der Straße jemand „Eh Schwarzer!“ rufen….!

Unter anderem dadurch werde ich immer „die Ausländerin“ und „die Weiße“ bleiben. Außerdem habe ich in den letzten Monaten, auch wenn ich die „Pole! Pole!“ Mentalität akzeptiert habe, doch gemerkt, dass ich schon ab und zu noch „deutsche Erwartungen“ habe, die aber nicht erfüllt werden oder nicht erfüllt werden können. Meine Beziehung zu Deutschland ist immer noch sehr eng und stark und ich habe manche Dinge doch wirklich zu schätzen gelernt. Meistens sind es auch nur die „kleinen Dinge“, die einem auffallen und die man zu schätzen lernt. Die Liste würde wahrscheinlich endlos werden, deshalb hier nur ein Beispiel: „Bitte“ und „Danke“ sagen. So etwas kennen die Kenianer nicht. Da heißt es dann „Gib mir“ oder „Bring mir“. Damit hatte ich anfängliche Probleme und habe versucht es ihnen irgendwie „beizubringen“, habe es aber schnell aufgegeben und einfach hingenommen. Schließlich bin ich nicht hergekommen, um die Kenianer zu lehren, sondern, um mit ihnen zusammen zu leben und von ihnen zu lernen.
Auch wenn sich das alles bis jetzt ein wenig negativ und zum Teil vielleicht auch böse angehört haben muss, bin ich doch glücklich hier und komme gut zurecht! Wir kommen sehr gut mit unseren Projektpartnern zurecht. Mit dem Father, mit dem wir in einem Haus zusammenleben, verstehen wir uns immer noch sehr gut und auch mit den Angestellten im Krankenhaus, mit denen wir zusammenarbeiten, verstehen wir uns gut. Wir sind immer gern gesehen und wenn wir mal eine Woche oder ein paar Tage nicht auf einer bestimmten Station waren, werden wir schon gefragt, wo wir denn gewesen seien, sie hätten uns vermisst. Ebenso kommen wir gut mit den Lehrern in der Schule zurecht und der Deutschunterricht macht immer noch sehr sehr viel Spaß! Wir haben uns hier ein „neues“ Leben aufgebaut. Das habe ich ganz stark gemerkt, als unser Besuch aus Deutschland hier war. Wir wussten einfach, was wir jeden Tag machen und wann wir wo hingehen. Wir haben unseren „Alltag“ gefunden. „Alltag“ in Anführungszeichen, denn einen richtigen Alltag, an dem jeden Tag das Gleiche passiert, gibt es hier kaum. Eigentlich passiert jeden Tag etwas Neues oder Unerwartetes. Aber das haben wir in unseren „Alltag“ eingeplant und akzeptiert, dass es häufig nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Und das ist gut so!

Wir haben uns also mit allerlei Mentalitäten, Kulturunterschieden und Ansichtsweisen gut arrangiert. Und auch wenn ich mich doch schon auf zu Hause, meine Familie, Freunde und Deutschland freue, weiß ich jetzt schon, dass es mir unheimlich schwer fallen wird Lwak und Kenia irgendwann hinter mir lassen zu müssen. Es ist, wie gesagt, mein neues zweites zu Hause geworden und um ehrlich zu sein, graut es mir auch ein wenig davor in 4 Monaten in den Flieger in Richtung Deutschland zu steigen. Natürlich habe ich Kontakt zu Familie und Freunden in Deutschland, aber letztendlich haben wir dann 11 Monate voneinander getrennt gelebt. Ich habe so gut wie jeden Tag neue Erfahrungen und Erlebnisse gehabt und erlebt, die, wie ich denke, keiner meiner Freunde oder aus meiner Familie je erlebt hat. Das ist nicht schlimm, vielleicht ist es sogar gut. Und natürlich ist auch zu Hause die Uhr nicht stehen geblieben und jeder hat nun auch ein „neues“ Leben, das ich, bis jetzt, noch nicht miterlebt habe. Ich hoffe nicht, dass es dann einfach so weitergeht, wie es war, bevor ich Deutschland hinter mir gelassen habe, aber ich hoffe, dass ich aus meinen Erlebnissen und Erfahrungen so viel mitnehmen kann, wie nur möglich, und es dann noch besser und schöner wird, als zuvor. Denn, auch wenn ich mich ein wenig vor meiner Rückkehr fürchte, freue ich mich dennoch genauso sehr auf die Zukunft und was in Deutschland noch alles auf mich zukommen wird. 

Jetzt werde ich aber die letzten vier Monate noch genießen und versuchen einfach das Beste aus meinem „african way of life“ zu machen! :)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Genieße die letzten vier Monate in Kenia liebe Kati :)
Hakuna ma tata :D

et Mäxje